Sonntag, 6. Oktober 2019
Glasmilch /// Milk of Glass

Als Kind hab ich an Ampeln wartend
von Zehn zu Null herabgezählt
Denn wer glaubt, eine Fee holt den Milchzahn vom Kissen
und lässt Münzen darauf als Ersatz
und dass Tote nicht Erde sondern Engel werden
der hält auch für denkbar
der weiß, es ist machbar
Stehen in Gehen verzaubern zu können
mit dem Kopf erhoben voran

Heute morgen um viertel nach Fünf
vergaß ich endlich dein Gesicht
und auch dein Lachen ertrank in Weiß
Nur noch Konturen hinter milchigem Glas

Dann in der Stadt
an der Ampel natürlich
Wind in Markisen
weht dich vertraut
aus irgendeiner Achsel
von irgendeinem Hals
aus irgendeinem Schritt

Und deine Augen zurück in alle Gesichter
dein Lachen in jeden Mund
Im Herbst tragen sie oft schwarze Mäntel
Jeder Blonde ein Irrtum von Wiedersehen

Ich geh nicht mehr raus
Starre still an die Wände
Und zähle von Zehn herunter zur Null

///

As a child I used to count down from ten
whenever waiting for red lights to switch
Believing
a fairy would take my milk teeth
and leave a handful of coins in their place
and that the dead don't decay but become angels instead
I considered it possible
I knew it was doable
turning standstill to movement
headfirst

This morning at a quarter past five
your face had finally escaped my mind
and your laughter as well drowned in white
only a silhouette behind milk glass remained

But then back in town
at a red light of course
wind in the awnings
blew familiar scents
from under somebody's arms
from somebody's neck
out of somebody's lap

Blew your eyes back in everyone's faces
your laughter returned to their throats
In autumn they all prefer to wear black
Every blonde a mistaken reunion

I won't go outside
I'll just stare at the walls
and quietly count down from ten