Mittwoch, 11. September 2019
Berlin

Das gärt hier jetzt schon.
Seit. Weiß ich auch nicht. Ewig jedenfalls. Ist auch nicht wichtig, Zeit ist relativ scheißegal, wenn der Zenit erstmal überschritten wurde. "Meld dich mal", sagtest du jedenfalls, als ob das eine Option wäre, wie "Continue" unter "Quit" im Pausenbildschirm bei Mario Kart, das auf antiken Konsolen läuft, die deine neuen Freunde auf Sit Ins in Altbauwohnungen bespielen, um sich an Zeiten zu erinnern, die sie nicht erlebt haben. Denkt von denen, frag ich mich, eigentlich jemals einer an die armen Pferde, operationsbedürftig, die bei vollem Bewusstsein aufgeschnitten werden, weil einer deiner Marios und Luigis ihnen das Betäubungsmittel wegschnupft? Keiner nämlich. Und dann gehen sie nach Hause und verkaufen selbstgebastelten Ohrschmuck aus Maccaroni in Onlineshops namens Nudelöhr und dir fällt dein Handy ein und ich, und "Meld dich mal". Und du weißt, das wird nicht passieren. Für mich warst du schon Geschichte, als du sagtest, du gehst, dabei warst du noch 3 Monate hier und nicht da, in dieser Stadt, die nicht meine ist, die zwar genauso aus Scheiße besteht wie diese hier, aber eben nicht aus deiner, nicht aus unserer, und deshalb aus keiner, die wir beide gemeinsam zu einem Kessel gestampft haben, hintereinander her und immer im Kreis. Bis wir da unten saßen und lachten und über uns die Sirenen dröhnten und das Kleingeld von Rentnerinnen an der Supermarktkasse klimperte. Ich werde deinen Namen hier unten vergraben und wenn ich unsere Geschichte erzähle, wirst du eins geworden sein mit einem und vielen anderen und "Raphael" heißen oder "Philipp" oder "Simon" oder "Michael". Wie dein schmaler Rücken sich gegen den Lärm der Bässe und gegen die Tür des Clubs stemmte, werde ich erzählen, Raphael, und wie ich mich fragte, ob dein Piercing da unten an der Lippe (Zeitreisender aus den Neunzigern, Philipp?) beim Küssen stören würde, Simon. Wie es nicht störte, Michael, weil ich nur eines denken konnte: Der schmeckt nach Für Immer.