Samstag, 5. Oktober 2019
Knöpfe, Teil 2

Was bisher geschah: Teil 1

Lola zerrte den ipod aus der Hosentasche und wechselte zur Playlist “Popscheiße”. Nicht, dass sie viel mit Pop hätte anfangen können, aber wer seine Zukunft im Musikjournalismus sah, der hatte gefälligst auf dem Stand der Dinge zu sein. Ja, meine Damen und Herren, Ruhm und Ehre wachsen nicht an den Bäumen (auch nicht an regular lime trees, hähä), das ist harte Arbeit.
"Ich brauch hier mal deine fachkundige Meinung als Musikkenner", erklärte sie nun, als sie sich an den glotzenden Grübchen vorbeibeeilt hatte und neben Felix herlief. Der roch nach Schnaps, nach kaltem Rauch und nach Frauendeo, das er im Übrigen von ihr abgezogen hatte, und damit trotzdem irgendwie noch so, dass man ihn aufessen wollte.
"Ach du grüne Neune, du stinkst wie ein Freudenhaus", kommentierte Lola dem Appetit zum Trotze, denn sie nährte ihre Selbstachtung gerne damit, nicht zu den Frauen zu zählen, die sich im Angesicht eines potenziellen Zukünftigen bloß noch in vogelartigen Piep-, Pfeif- und Flöttönen verständigen können. Sie hatte lange an ihrem Humor gefeilt, der vor allem von Leihgaben bei überholtem Sprachgebrauch zehrte, und diese Errungenschaft würde sie doch nicht ausgerechnet jetzt aufgeben.
"Das ist das Geheimnis meiner Street Credibility", antwortete Felix, der sein Vokabular lieber in der Gosse borgte und dessen Gesicht heute Morgen noch käsiger war als der untere Rücken, bevor er sich den dargebotenen Kopfhörer ins Ohr drückte, "Ist das etwa mein schwarzer Bruder Jay-Z?"
"Fürwahr!", lobte Lola antiquiert am anderen Ende der Schnur, "Aber um den geht es mir nicht. Bitte richten Sie ihre Aufmerksamkeit auf den Sirenengesang, der gleich folgt."
Innerlich klopfte sie sich auf die Schulter dafür, so ein ausgekochtes Schlitzohr zu sein, denn wer Kopfhörer teilte, der war auch drei Minuten lang nah beieinander. Das war ja fast schon Geschlechtsverkehr. Felix hielt jedoch nicht so lange Stand wie erhofft.
"Ella, ella, ella, was ist mit ihr, die hat doch'n Schlaganfall!", urteilte er rasch.
"Das stimmt!", befand auch Lola und war froh, dass mit der Ablehnung der Musikauswahl nicht auch die des Kopfhörers einherging, "Warum hilft ihr denn niemand? Aber du wirst bis zum Ende hören müssen, tut mir sehr leid."
Links an ihnen vorbei zogen die Zwillinge, die keine Zwillinge waren, aber welche hätten sein können, bloß in unterschiedlichen Farbtönen. Zwei Kerle groß wie die Twin Towers, Gott hab sie selig. Da sie keine Trekkingjacken trugen, war ihr Studienschwerpunkt bislang ungeklärt. Stattdessen kleidete man sich auch bei Bodenfrost in T-Shirts, die Drachen und nackte Amazonen zeigten und entweder eine Metalband oder eines dieser Gesellschaftsspiele bewarben, bei denen magere Zahnspangenträger so taten als hätten sie Muskeln, Erfolg bei Frauen und Zauberkräfte, hex, hex. Unter den Lippen wucherten Kinnbärte, blond bei dem einen Zwilling, schwarz bei dem anderen, und sie rochen stets ein wenig wie eine Bahnunterführung, also nach Pisse. Vermutete Lola zumindest, denn nah genug dran, um das zu überprüfen, war sie bislang nie gewesen, preiset den Herrn. Eingehakt in ihrer Mitte führten sie, wie immer, die Spanierin mit sich, die so winzig war, dass ihr armes Näschen unangenehm nah am Quell des unterstellten Gestanks sein musste. Andererseits hatte der Höhenunterschied aber auch sein Gutes, denn so waren die Trommelfelle der Zwillinge, Statur sei Dank, weit genug von der Stimmritze der Spanierin entfernt, um nicht fortwährend ein Platzen zu riskieren. Die fehlende Körpergröße kompensierte man dort unten nämlich mit einer Stimme, die unschöne Kindheitserinnerungen an Ferien auf dem Bauernhof auf den Plan riefen. Schon seit Lola das ohrenbetäubende Krähen auf der Fähre zum ersten Mal vernommen hatte, fragte sie sich, ob die Spanierin wohl oft mit streunenden Hunden und Fledermausschwärmen zu kämpfen hatte, die sie versehentlich ins Haus lockte, wenn sie zum Beispiel unter der Dusche ein Ständchen zum Besten gab. Falls sie überhaupt den Schneid hatte zu singen, man will ja nicht dauernd neue Fensterscheiben einsetzen müssen. Lola zumindest hätte zu anderen Hobbys geraten, thailändische Schweigemeditation zum Beispiel.
Augenscheinlich machte auch einer der Zwillinge sich Gedanken über die bevorzugten Freizeitbeschäftigungen seiner Begleiterin und er teilte seine Vermutung pantomimisch über den schwarzen Schopf der Spanierin hinweg mit dem anderen Riesen, indem er seine Finger zum drahtigen Gestrüpp seines Mundes führte und die Spalte zwischen Zeige- und Mittelfinger ausgiebig mit Speichel benetzte.
"Tobias!", rüffelte Kazmierski von hinten, “What a nasty gesture!”
"Kraaaankes Schwein...", kommentierte auch Felix, leider nur halblaut und exklusiv für Lola, was ihm Abzüge auf der Stempelkarte für Zivilcourage einbrachte. Lachen musste sie trotzdem, denn seine Persiflage des Opfers eines Irren in einem schlechten Psychothriller war wahrlich reif für die goldene Himbeere.
"Was? Was hast du denn gemacht? Man, sag jetzt! Sag schon! Tohohohobihihihihi!", krähte die Spanierin und Lola beeilte sich, die Aufmerksamkeit zurück zur Popmusik zu dirigieren: "So, Felix, jetzt wird's ernst, jetzt musst du aufpassen!"
"Warum quälst du mich so?", setzte der seine Performance fort, hörte das Lied aber bis zum Schluss artig an.
"Was ich mich nun frage", erklärte sie schließlich, als die bepflanzte Ordnung der Allee sich in einer Kurve in dichterem Grün verlor, "Singt diese Rihannaperson da am Ende 'Come here to me', oder, und das wäre wirklich eine beunruhigende Entwicklung der Populärkuktur, 'Cum into me'?"
"Ich hab 'cum into me' verstanden. Risch gut!", urteilte Felix, verzog die weinblauen Lippen zu einem gequälten Lächeln und gab den Kopfhörer zurück, schade.
"Verrohung!", meinte Lola.
"Angeblich ist das der neue Stern am Pophimmel. Ich für meinen Teil glaube ja nicht, dass sich das durchs-"
Weiter kam sie nicht, denn ein Geräusch forderte ihre Aufmerksam ein, das klang, als würde ein schweres Wäschestück klatschnass von der Leine auf den Boden platschen. Unmittelbar vor den Füßen der Spanierin war eine Taube im Sturzflug auf den Boden gekracht und wand sich im Todeskampf.
“Fuck”, meinte Felix und kommentierte damit nicht das Elend des Vogels, sondern den schrillen Schrei der Spanierin, “Mit der Stimme kannste Metall zerflexen.”
“Da sind noch mehr”, meldete sich weiter vorne in der Kurve Janina Vetkötter fachkundig zu Wort, die gemeinsam mit Felix und Lola irgendwas mit Medien studierte und darum eigentlich zu den zurechnungsfähigen Exkursionsteilnehmern zu zählen war, wäre da nicht diese gespenstische Schwärmerei für den Tod gewesen. Bei Kazmierskis Weinfest gestern hatte sie alle 108 Zeilen von Poes “Raven” mit Grabesstimme vorgetragen, und ihre Seminarmitschriften waren am Rand stets mit Kritzeleien von abgetrennten Gliedmaßen dekoriert.
Nun hatte sie ein Stöckchen vom Wegesrand aufgelesen und stocherte damit in einer anderen Taube herum, die gemeinsam mit etwa zwanzig weiteren verendeten Artgenossen den Weg hinter der Kurve pflasterten. Lola fröstelte und versuchte den Blick von dem gefallenen Vogel zu nehmen, der vor den Zwillingen lag. Die Taube schrie im Todeskampf und die Spanierin krähte mit ihr im Chor, schluchzte und heulte und ließ sich von dem blonden Gefährten ausgiebig trösten.
“When doves die”, hauchte Felix Lola eine eigenwillige Interpretation von Prince ins Ohr, aber auch wenn sie den Einfall lobenswert fand, verlor das Lachen gegen den Schrecken.
Der dunkle Zwilling gab sich indes im Konkurrenzkampf um die Gunst der Spanierin nicht kampflos geschlagen und zerquetschte der leidenden Taube mit einem beherzten Sprung den Kopf.
“Jetzt ist Ruhe. Jetzt ist es vorbei”, löste er sein blondes Ebenbild beim Trösten ab.
Hinter Lola kotzte Felix in einen Busch.

Fortsetzung: Teil 3



Freitag, 4. Oktober 2019
Knöpfe, Teil 1

Apollogrübchen. So bezeichnete man die von der Fachjury der Allgemeinheit als attraktiv eingestuften Dellen am unteren Rücken, links und rechts der Wirbelsäule mancher gesegneter Männer. Anders hingegen nannte man die bei Frauen. Wie die jetzt genau bei denen hießen, war wiederum egal, denn es war ja kein Frauenrücken, dem sie wie hier wie hypnotisiert durch die englische Flora hinterherschlurfte. Wahrscheinlich irgendwas mit Aphrodite. Oder Venus. War ja im Grunde dasselbe, und welche davon jetzt die Griechin und welche die Italienerin - Römerin, tschuldigung - war, konnte sich am Ende ja doch keiner behalten. Lola schonmal gar nicht, und erst recht nicht in diesem Zustand. War ja auch, wie gesagt, schnurz. Adam Sandler und den anderen warf sie auch ständig durcheinander, wie hieß der jetzt wieder, Ben Stiller, und das merkte meistens nicht einmal jemand. Sie sagte z.B.: "Den Streifen, in dem Adam Sandler seinen Schwiegervater melken will, kann ich vor lauter Fremdscham nicht ertragen" und man antwortete zwar empört, aber aus den falschen Gründen: "Also, ich fand den witzig!" Dabei war das in dem Film gar nicht Ben Sandler, sondern der andere, glaubte sie zumindest. Einmal jedoch hatte sie eine Wette verloren wegen so einer hartnäckigen Verwechslung, da war die sture Ahnungslosigkeit aufgeflogen, weil sie nämlich nicht davon abzubringen gewesen war, Scarlett Johannson würde in der ikonischen Karaokeszene in "Lost in Translation" ausgerechnet "I don't feel like dancing" von den Scissor Sisters trällern. Was natürlich vollkommen banane gewesen war. Haha, als ob die Sophia Coppola...nunja, nach der Niederlage war sie jedenfalls etwas zurückhaltender mit der Veräußerung derartiger Überzeugungen geworden. Wurde ja auch immer leichter, solche Irrtümer aufzuklären, denn das Internet war auf dem Vormarsch.
So, wie zum Henker sind wir jetzt wieder bei den Scissor Sisters gelandet? Achso, Musik. Mein Stichwort. In Lolas Ohren steckten Kopfhörer, und aus denen wummerte "Galvanize" von den Chemical Brothers. My finger is on the button, und so weiter und so fort. Sie hatte sich nämlich ihre "Running motivation"-Playlist auf ihrem ipod gegönnt, auch wenn man damals noch gar nicht dauernd von Gönnung sprach und sie niemals auf die Idee gekommen wäre zu joggen. Da schrubbte man sich ja die Schenkelinnenseiten kaputt und die Brüste flogen wild herum wie Pogende auf Konzerten der Ärzte. Aua. Niemals rannte man in der Öffentlichkeit, das war die goldene Regel, denn wie sah das denn aus. Die Playlist wurde also zweckentfremdet und sollte finstere Gedanken vertreiben, wie: Wenn du irgendwo ein Buttermesser findest und hartnäckig genug sägst, schaffst du es vielleicht, deine Pulsadern zu öffnen und musst heute nicht wandern. Ach was, Buttermesser. Irgendeiner der Lehramtsstudenten hatte doch bestimmt in seinem Jack Wolfskin-Trekkinganorak oder in der beigen Funktionshose ein Schweizer Taschenmesser versteckt. Und Taschentücher, Pflaster, mehrere Flaschen Apfelschorle, Butterkekse, Insektenspray, einen Bunsenbrenner. Was man eben so mit sich führte, wenn man mit Anfang zwanzig schon Mitte fünfzig war. Die Kommilitonen vom Lehramt aber liefen gut zwanzig Meter weiter hinten, aufgeregt wie ein Rudel Hunde aus dem Tierheim, das endlich einmal jemand ausführte, und zu beschäftigt mit Speichelleckerei, um jetzt nach dem Taschenmesser zu kramen. Am anderen Ende der Leine: Ingo Kazmierski, Dozierender der englischen Literaturwissenschaft und zwar nicht der einzige mit Notengewalt, bei dem es sich auf so einer Exkursion anzubiedern galt, aber der jüngste. Da witterte der Lehramtsköter natürlich gleich eine gewisse Zugänglichkeit und schleckte vergnügt an den haarigen Fingern Eurer Majestät. Würde sich vielleicht irgendwann lohnen, sollte man sich bei einer Examensprüfung wiedertreffen. "I love hiking!", "I wonder if we're going to see wild ponies!", "I already feel like Catherine in 'Wuthering Heights'!", übertrumpfte man sich da hinten also im Schwanzwedeln und Lola war sich sicher, würde Kazmierski den blanken Arsch präsentieren, würde einer nach dem anderen darin verschwinden. Plopp und weg, nur noch ein einsamer Wanderstiefel aus perforiertem Wildleder würde zwischen den Backen herauslinsen. Warum sprachen die überhaupt ständig Englisch, der Mann kam aus Leverkusen, verdammte Axt.
Kazmierski selbst wirkte noch etwas wacklig auf den Beinen, kein Wunder. Der hatte gestern eine erlesene Gruppe Studierender in der Unterkunft mit “select wines” davon überzeugen wollen, dass es eben doch einen Unterschied machte, ob man sieben Euro in eine Flasche oder eine Hand voll Kleingeld in einen Tetrapak investierte. Den beworbenen Unterschied hatte keiner rausgeschmeckt, aber Felix hatte herausgefunden, dass man das Zeug ganz gut runterbekam, wenn man unterm Tisch einen Spritzer Cola und einen großzügigen Schluck Wodka hinzufügte. Aproprost Felix,
Der lief vor ihr her und sie verlor das Blickduell. Mit den Apollogrübchen auf seinem Steiß, der eine Hand breit brach lag, weil sein Rucksack den Pulloversaum gefangen hielt, besten Dank. Links und rechts des Weges, der von den Unterkünften auf dem Campus der Partnerstadt hinunter ins Zentrum führte, hatte man irgendwelche Laubbäume gesetzt, Allee nannte man das, und Lola hatte keinen blassen Dunst, ob das Bäume waren, die es jetzt nur auf der Insel gab, oder. “Gosh, those trees are beautiful!”, kläffte da schon eine von Kazmierskis Tölen laut genug, um die Musik in den Kopfhörern zu übertönen, “I wish we had those in Germany.”
“Well, we do. Those are regular lime trees”, dozierte es zurück und Lola war froh, dass sie die Frage nicht gestellt hatte. Immer jedenfalls, wenn einer dieser regular lime trees gerade keinen Schatten auf Felix’ Rücken warf, malten die Grübchen zwei, und aus der viel zu blassen Haut glotzten graue Augen sie an, ein hässliches Käsegesicht, das nicht einmal eine Mutter hätte lieben können. Sie schon, wie's aussah, und da halfen auch die Chemical Brothers nicht, denn ihr Finger war ihr wohl dummerweise vom Button gerutscht. Ärgerlich, sie hatte sich verliebt. Nunja, dann eben in die Hände gespuckt und auf zur feindlichen Übernahme, nicht wahr.

Fortsetzung: Teil 2



Donnerstag, 26. September 2019
Hautsache

Lieber M.,

Weißt du,
Die Liebe von heute ist immer noch die Liebe von gestern. Die macht bloß einen Kopfstand.
Ordnungsgemäßer Ablauf früher: Man kennt einander nicht, man lernt einander kennen, man verliebt sich, man vögelt.
Ist immer noch so. Nur eben anders herum.

Das mit dir hat so aufgehört:

Du, nackt: Es ist schade, dass es vorbei ist, bevor es angefangen hat.
Ich, in Pullover, Mantel, Schal, mit Rucksack, der schwer ist und den es noch stärker wieder nach Hause zieht als mich: ---.
Nichts.

Wir beide in deiner Wohnung, die ein Zimmer ist, in dem es diese Küche gibt und dieses Bett und dieses Badezimmer ohne Tür. Vielleicht wäre ich geblieben, wenn es diese verdammte Tür gegeben hätte.
Vielleicht nicht.

Lieber M.,

Das mit dir hat so angefangen:

Wir schlafen. Das ist einfach, weil ich nicht reden muss. Zuerst schläfst nur du, denn ich habe dir vorgelesen. Auch das ist einfach gewesen, weil die Worte nicht meine sein mussten, auch wenn ich dir in jeder anderen Situation eine bessere Geschichte erzählt hätte als diesen Quatsch von einem traurigen Hasen, der auf dem Mond lebt oder zum Mond will oder zum Mond schaut, so genau weiß ich das nicht mehr. Aber du wolltest den Hasen. Und bist eingeschlafen. Dann irgendwann auch ich, weil deine Wohnung ein Zimmer ist und ich schneller fertig mit meinem Rundgang war als du mit deinem Traum vom Kopfstand auf dem Mond.

"Besuch mich. Ich zeig dir die Stadt. Ich koche dir was", hattest du gesagt, am Telefon, aber wir waren nicht weit gekommen. Eine russische Kirche haben wir gesehen, auf einem Berg mit russischen Touristen und russischen Pfannkuchenverkäuferinnen.

"Fahr mich heim. Ich bin zu müde. Machen wir später."
Und später: "Lies mir was vor. Das mit dem Hasen."

Und wieder später wache ich auf und du bist du und wach und überall. Deine Locken in meinem Gesicht, das gelbe Licht ist mit dir an jedem Ort und wach wie du, deine Hand in meiner Hose. Dir gefällt mein Schwanz, noch bevor ich weiß, ob mir deine Hand daran gefällt. Und ich weiß nicht, ob man sich da jetzt bedankt oder was. Ich küsse dich trotzdem, weil ich das besser kann als reden und du sagst, du wolltest mich schon, als du mich gesehen hast, wie ich da stand, am Auto, vor deiner Wohnung, die ein Zimmer ist. Dann willst du wissen, mit wie vielen Juden ich geschlafen habe, „Bei mir waren‘s erst drei“, fügst du traurig hinzu. Ich sage nicht: „Du bist mein erster“, weil das zu viele Türen auftun würde in einer Wohnung, in der es nur eine gibt, und die führt: Weg.

Du gehst in das Bad ohne Tür in diesem Zimmer ohne Wohnung, machst Musik an, die sich in meiner Erinnerung anhört wie etwas, das in Fahrstühlen gespielt wird. Irgendwo liegt ein Kondom und ich kann dich hören, viel zu menschlich, viel zu nah. Du ganz Körper, ich ganz Kopf. Ich denke an den Hasen, der auf dem Mond sein möchte.

Vielleicht bin ich wiedergekommen, weil ich die Stadt sehen wollte, deine Stadt. Vielleicht habe ich mir eingebildet, deine Tür reparieren und aus einem Zimmer eine Wohnung machen zu können. Mit einem Ort, an dem man sich beim Pinkeln verstecken könnte, deine Menschlichkeit für zwei, drei Momente aussperren. Vielleicht wollten wir da weitermachen, wo wir nie angefangen hatten, kochen und reden und Geschichten von Hasen auf dem Mond zu Ende erzählen.

Als ich ging, warst du nackt und ich nicht.