Zwischen Thermomix und Toaster

Die Küche lebt vom Applaus. Sie ist der Star der Party. Der Ort, an dem Ideen geboren werden, bierschwanger. Die Coverband "Jeder Ton kein Treffer", zum Beispiel. Warum. Warum eigentlich. Warum eigentlich hier. Warum trifft man sich nicht zum Beispiel im Wohnzimmer, englisch: Living Room. Da steckt doch das Leben schon drin, und nicht in der Küche, wo gegebenenfalls Bioabfall stinkt oder der Limburger aus der Kühlung, wenn einer noch ein Bier holt oder zwölf für alle, die hier lachen, zusammengepfercht auf dem nachlässig gewischten Boden vor dem Ofen, und nicht im Wohnzimmer, bei dem einen, der auf grindr nach Anschluss sucht und immer noch nicht bemerkt hat, allein zu sein.
In der Küche meiner einen Oma spielte ich Elfer Raus, lernte Schach und überredete sie - Druckmittel Tränen - die traurigen beigegrauen Papierränder der lokalen Tageszeitung mit Kugelschreiber in meterlange Züge und Entenfamilien umzugestalten. In der Küche der anderen Oma gab es Zitronenlimonade zur Kartoffelsuppe und auf ihrem Schoß piekste manchmal ein vergessenes weißes Haar auf ihrem Kinn in meine Wange.




dreadpan am 13.Sep 19  |  Permalink
Ich freue mich, mehr von den Omas zu lesen. Neben anderen erfreulichen Sensationen, die meine sieben Sinne beim Lesen kitzeln. Vor allem den siebten. Augen auf im Straßenverkehr! Ich dachte immer grindr is für Sexsüchtige, nicht für Einsame. Auf grindr nach Anschluss suchen ist bitter. Da würde ich lieber einsam bleiben.

wut_antrinken am 13.Sep 19  |  Permalink
Hörte von Leuten, die glauben, sie seien nicht mehr einsam, wenn sie bloß genug Episoden fünfzehnminütiger Parkplatzabenteuer aneinanderreihen. Man hat dann so intensiv kontaktet wie etwa eine Telefonistin, die etwa für die Telekom etwa Vertragsverlängerungen etwa zu unschlagbaren Konditionen feilbietet, und am Ende des Tages nicht einmal die Stimmen im Fernseher mehr ertragen kann. So wird's den grindr-Junkys auch ergehen. So viel Besamung, dass man der Samen überdrüssig wird, und nichtmal Einsam mehr sein kann.

am 24.Sep 19  |  Permalink
Guter Stoff! Erinnert mich an zahlreiche Küchen, in denen ich gesessen, gegessen, diskutiert, (heimlich) geraucht, gestritten, geheult, gelacht … habe und bereits als Dreijährige wusste: bei jedem Nachbarn riecht's anders …

wut_antrinken am 24.Sep 19  |  Permalink
Die Gerüche, stimmt! Immer vergesse ich die Gerüche zu erwähnen, das muss sich jetzt mal ändern. Danke für den schönen Kommentar!

dreadpan am 24.Sep 19  |  Permalink
Die Gerüche sind doch impliziert in der Limo und der Kartoffelsuppe. Und taktiles Pieksen hamwa auch, was will man denn mehr an Sensationen!

am 24.Sep 19  |  Permalink
Mein Lob gilt auch der superschönen Aufmachung deines Blogs 'neidischguck' - ich kann leider nur schreiben, für aufwändig-technische Blogverschönerungen habe ich leider nicht die genetische Ausstattung.

wut_antrinken am 25.Sep 19  |  Permalink
Haha, ich ärger mich auch schon wieder, dass ich damit angefangen habe, weil das ja NOCH mehr Arbeit ist und NOCH eine Hürde, warum man das Schreiben einfach bleiben lassen kann, um stattdessen an sich, anderen oder dem Endgerät herumzuspielen. Andererseits hat die Kritzelei aber auch was Gutes. In der Zeit, die es braucht, um das Bild zu erstellen und internetfein zu bearbeiten (vor allem: In der Zeit, die es braucht, bis man funktionierende Stifte gefunden und den Radierer unterm Bett herausgeangelt hat), liegt der Text, und man guckt später mit frischen Augen nochmal drauf. Ich bin ja sonst mehr so vom Schlag "Tippen, hochladen, und auf BITTEVIELEKOMMIS warten". Sich in Geduld üben zu lernen, tut mir da wirklich, wirklich, wirklich gut.